Veränderte Zeiten benötigen veränderte Geschäftsmodelllogiken

Mit dem Megatrend der Neo-Ökologie ist das Thema der Nachhaltigkeit in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Was in den 70’er Jahren noch links-grüne Randthemen waren, ist heute Mainstream. Das Zukunftsinstitut, ein renommierter Think Tank für Trend- und Zukunftsforschung, der seit vielen Jahren zu den Megatrends forscht und publiziert, hat die Neo-Ökologie sogar zum „wichtigsten Megatrend unserer Zeit“ erklärt. Dass die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit (wie der Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Plastikmüll, Armut, Flucht, Pandemien, Rassismus, usw.) ein systemisches Umdenken auf vielen Ebenen dringend erforderlich machen, ist heute weitestgehend unbestritten.

Dieser Beitrag kommt von unserem Co-Piloten Leon Seefeld, Mitgründer von reframe.ventures und in unserer Community einer der Experten im Bereich Corporate Social Innovation und wirkungsorientierte Geschäftsmodelle.

Welche konkreten Möglichkeiten aber haben mittelständische und Familienunternehmen, diese Trends nicht als Risiko begreifen zu müssen, sondern darin Chancen zu entdecken und den Wandel proaktiv mitzugestalten?

Was mittlerweile häufig zu sehen ist, sind die ersten zwei von vier Möglichkeiten, die wir in Abbildung 1 visualisiert haben. Unternehmen machen sich der negativen Auswirkungen ihres Handelns und ihrer Verantwortung bewusst (z.B. Umweltverschmutzung und Arbeitsbedingungen in der Lieferkette) und verbessern ihre Praktiken inkrementell (durch betriebliches Umweltmanagement und Code of Conducts), um weniger Schaden anzurichten.

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Dass jedoch über die Verbesserung des operativen Geschäfts und die Umsetzung von klassischen CSR Maßnahmen hinaus auch die Weiterentwicklung des Konzepts „Geschäftsmodell“ ein enormes wirtschaftliches und gesellschaftliches Potential trägt, zeigt unter anderem der stark wachsende Impact Startup Sektor in Deutschland. Diese Startups schaffen aus einer Kombination von Geschäfts- und Wirkungsmodellen neue, wirkungsorientierte Geschäftsmodelle, die gleichzeitig Umsätze für das Unternehmen und Lösungen für gesellschaftliche Probleme generieren. So verkauft das Startup Gotbag Rucksäcke aus Ozeanplastik und wirkt damit der massiven Umweltverschmutzung entgegen und Africa GreenTec produziert mobile Solarkraft-Systeme für ländliche Regionen in Westafrika, um dort ganzheitliche Lösungen zur Verbesserung der Lebenssituation, für wirtschaftliche Aktivität und damit auch zur Bekämpfung von Fluchtursachen zu schaffen.

Ob man gleich den ganzen Unternehmenszweck (neudeutsch ‚Corporate Purpose‘) auf die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen ausrichtet, wie im Beispiel der Impact Startups, oder dem bestehenden Kerngeschäft zunächst einzelne wirkungsorientierte Geschäftsmodelle hinzufügt, ist erst einmal zweitrangig. Wichtig ist an dieser Stelle, dass das, was die Impact Startups mit ihren neuartigen Geschäftsmodelllogiken vormachen, auch für etablierte Unternehmen möglich – ja vielleicht sogar nötig ist, um zukunftsfähig zu bleiben und die Wellen des Megatrends Neo-Ökologie zu nutzen, anstatt von ihnen überrollt zu werden.

Für die konkrete Umsetzung gibt es wie immer verschiedene Herangehensweisen. Einer der Grundüberzeugungen von New Mittelstand folgend, können Startups und Mittelstand viel über Herkunfts- und Zukunftswirtschaft voneinander lernen. Das Zukunftsinstitut benennt beispielsweise mit den Sub-Trends Direct Trade, Green Tech und Zero Waste drei erste Ansätze, die von mehr und mehr Startups umgesetzt werden und mit Hilfe derer auch etablierte Unternehmen bestehende Geschäftsmodelle auf die veränderte Marktsituation anpassen können. Um genau diesen einen Erfahrungstransfer zwischen Impact Startups und Mittelständlern bezüglich der erfolgreichen Umsetzung wirkungsorientierter Geschäftsmodelle zu fördern, hat reframe.ventures in einer Studie über mittlerweile 600+ bestehende Impact Unternehmen 24 Grundmuster abstrahieren können, nach denen sich Geschäfts- und Wirkungsmodelle verbinden lassen.

Die 24 Grundmuster in der Praxis

  • Das bereits angesprochene Startup Gotbag folgt beispielsweise dem Muster „Ungenutze Ressourcen_Upcycling“ und realisiert den ökonomischen Wert vermeintlicher Ausschussware, um damit gleichzeitig positive gesellschaftliche Wirkung zu erzielen und das Problem der Ozeanverschmutzung zu reduzieren. Ein etabliertes Traditionsunternehmen, das dieses Muster bereits für sich entdeckt hat, ist die österreichische Brauerei Gusswerk, die unverkauftes Restbrot zu mundigem Brotbier verbraut, damit ebenfalls ungenutzte Ressourcen nutzbar macht und so mit jeder verkauften Flasche einen Beitrag zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung leistet.

  • Auch das Outdoor-Bekleidungsunternehmen VAUDE experimentiert mit Geschäftsmodellen zur Ressourceneffizienz und kombiniert diese in seiner Upcycling Werkstatt sogar noch mit einem weiteren der 24 Grundmuster: „Beschäftigung_Anstellung schaffen“, indem es Geflüchtete in fair bezahlte Arbeitsverhältnisse aufnimmt.

  • Sogar die Berliner Stadtreinigung hat ihre Möglichkeiten auf kreative Art und Weise genutzt, um ein neues wirkungsorientiertes Geschäftsmodell zu entwickeln. Mit der NochMall ist ein ganzes Kaufhaus und damit ein großer physischer Marktplatz für Second-Hand Produkte entstanden. Damit nutzt das Unternehmen das Grundmuster „Akteure zusammenbringen_Händler“, um beispielsweise der problembehafteten Fast Fashion und Wegwerfwirtschaft ein profitables Geschäft entgegenzusetzen.

Wie diese drei (und auch weitere) Beispiele zeigen, sind viele wirkungsorientierte Geschäftsmodelle, die von mittelständischen Unternehmen heute bereits umgesetzt werden, stark auf die Ressourcennutzung ausgerichtet. Die 24 Grundtypen zeigen jedoch auch andere Dimensionen und Möglichkeiten auf, in denen etablierte Unternehmen zum Vorreiter werden können.

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Methodisch können die 24 Grundmuster im Kartenspiel-Format bei der Ideen-Entwicklung neuer wirkungsorientierter Geschäftsmodelle als Skelett dienen, das mit den Kernkompetenzen, personellen Ressourcen, Marktpositionierungen und Interessen der jeweiligen mittelständischen und Familienunternehmen bestückt wird, um daraus einzigartige zukunftsweisende Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Ein kostenloses White Paper über detaillierte Erkenntnisse aus der Studie zu den 24 Grundmustern findet sich auf der Website von reframe.ventures.

Wie die im Zuge des Megatrends Neo-Ökologie aufkommenden wirkungsorientierten Geschäftsmodelle eindrucksvoll zeigen, lassen sich aus den Lösungen zu großen gesellschaftlichen Problemen profitable und sinnstiftende Geschäftsmodelle entwickeln. Und gerade mittelständische Unternehmer:innen, die über Schadensbegrenzung und Greenwashing hinausgehen, ihren gesellschaftlichen Beitrag systematisieren und ihre Herkunftswerte mit neuen Zukunftsideen verheiraten wollen, finden bei Impact Startups und in den 24 Grundtypen viel Inspiration.


Über unseren Co-Piloten:

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Leon Seefeld (geb. 1996) ist seit 2018 Gründer und Geschäftsführer von reframe.ventures und seit 2020 Co-Pilot bei New Mittelstand. Er hat Internationales Management an der Lancaster University (UK) und der ESB Business School in Reutlingen (DE) studiert und festigt aktuell sein Verständnis im Strategic Leadership towards Sustainability am Blekinge Institut of Technology in Karlskrona (SE). Leon bewegt sich seit mittlerweile fünf Jahren im Bereich des Social Entrepreneurship/ Social Business, berät Unternehmen zur B Corp Zertifizierung und hat diverse Projekte und Initiativen selbst gegründet. Weitere Stationen hatte er u.A. beim Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, KPMG und BrightHouse, der Corporate Purpose Beratung der Boston Consulting Group.