Hella Gutmann Solutions - Der mittelständische Freund der Werkstätten

Ihre Gründungsgeschichte erinnert an die der großen Tech-Firmen. 1968 von Kurt Gutmann mit Eröffnung der ersten eigenen Werkstatt gegründet; 1996 den Innovationspreis der Automechanika für den mega macs 55 erhalten und 2008 mit der HELLA fusioniert. Innerhalb von 40 Jahren avancierte Hella Gutmann Solutions zum Global Player, blieb jedoch bodenständig. Nach wie vor identifizieren sie sich als Freund der Werkstätten, unterstützen lokale Projekte und wollen mit ihren Produkten zur Nachhaltigkeit beitragen. Dem wollen sie in den nächsten Jahren gerecht werden - gemeinsam mit New Hires, neuen Tools, neuen Services und neuen Kompetenzen. Dazu initiierten Rolf (Geschäftsführer) und Philipp (damaliger Head of Strategy & Business Development, aktueller Chief Digital Officer) eine Transformation. In zwei Interviews berichteten sie uns von ihrer Vision, ungeahnten Herausforderungen und ihren Learnings. Lest und schaut rein!

New Mittelstand Geschichte:

Wir fühlen uns als Freund der Werkstatt. Dementsprechend wollen wir Services und Tools  erarbeiten, um die Werkstätten weiterhin am Zahn der Zeit zu lassen. [...] Und dazu müssen wir uns transformieren - und zwar in allem.

Die Bereiche Digitalisierung und Nachhaltigkeit bilden im wahrsten Sinne die DNA der Hella Gutmann. Seither bieten sie ihren Kunden digitalisierte Anwendungen an, etwa um einen Verschleiß frühzeitig zu diagnostizieren, und rüsteten Werkstätten mit entsprechender Hardware aus. Dadurch seien sie, wie Rolf anmerkt, untypischerweise weit fortgeschritten, insbesondere in der Digitalisierung. Jedoch befreit dies die Firma keineswegs von Veränderungen im Geschäftsmodell. Schon gar nicht in der schnelllebigen Automobilbranche. Rolf erinnert an Konzepte zu vernetzten Werkstätten, vernetzten Autos oder Vehicle to X Communication.

Darüber hinaus wirkt sich die Digitalisierung direkt auf ihr Nachhaltigkeits-Versprechen aus. Schließlich sind ihre Tools und Services ein Kernbestandteil des Afters Market, dessen Grundaufgabe es ist, Autos möglichst lange auf der Straße zu halten, ohne viel Umweltverschmutzung zu erzeugen. Deswegen sehen sie es als Auftrag, ihre Produkte kontinuierliche zu verbessern, um noch präzisere Diagnosen und Prognosen zu treffen. Folglich steht die Elektrifizierung des Antriebs und Entwicklung neuer Services und Tools im Fokus ihrer Transformation - aus Hardware-First wird Software-First. Dazu bedarf es einer Transformation in allen Bereichen, wie Rolf betont. Als New Mittelstand Firma ist es ihnen hierbei wichtig, ihren Mittelstand-Spirit beizubehalten und gleichzeitig Methoden aus der Startup-Welt zu adaptieren. Auch als renommiertes Mittelstands-Unternehmen sehen sie sich jedoch mit Herausforderungen konfrontiert, die nicht immer eingeplant waren.  

Rolf Kunold

Geschäftsführer der Hella Gutmann Solutions GmbH

Philipp Niemann

Chief Digital Officer der Hella Gutmann Solutions GmbH

Willkommen im Mittelstand. Wir haben eben keine Fünf-Jahres-Entwicklungsprojekte, die wir uns mit einem Loft im Silicon Valley einfach leisten können, sondern wir müssen schon gucken, ob diese Sachen auch irgendwo eine Refinanzierung erfahren.

Bisher verstand sich Hella Gutmann als Electronics Company, die auch Daten und Software macht. Künftig wollen sie eine Software First Company sein, die auch Hardware produziert. Das Geschäftsmodell wird um 180° gedreht. Als Rolf und Philipp die Transformation vor drei Jahren einleiteten, gaben sie sich zunächst fünf Jahre Zeit, wenngleich das Geschäftsmodell auch nach diesen fünf Jahren iterativ weiterentwickelt werde. Mit ihren künftigen Tools und Services wollen sie perspektivisch einen neuen Benchmark anbieten und sich einen Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Dieses Ziel ist jedoch noch weit entfernt, und der Weg mit ungeahnten Umleitungen bestückt. Zumal sie parallel zur Transformation neue Produkte und Services entwickeln müssen, um diesen Prozess gegenzufinanzieren.

Dies weiß die Hella Gutmann jedoch für sich zu nutzen. Denn als Mittelständler sind sie nah am Kunden und können ihre Produkte immer wieder flexibel an dessen Bedürfnisse anpassen. Umgekehrt wissen sie durch das Feedback der Kunden, was am Markt wirklich funktioniert. Dadurch profitieren sie zweierlei: Erstens können sie bereits neue Produkte, beispielsweise eine neue Cloud-Applikation, auf dem Markt anbieten. Zweitens können sie dieses Wissen umgehend aufgreifen und in den Transformationsprozess integrieren, um ihren Kunden künftig noch mehr Flexibilität und Sicherheit anzubieten. Philipp denkt dabei an neue Softwares, die ein Kunde dank Machine Learning auf den spezifischen Use-Case upgraden kann.

Die Transformation geht allerdings weit darüber hinaus, wie Philipp erklärt. Durch eine zunehmend digitalisierte Auftragsabwicklung, entstehen neue Zugangskanäle zu neuen Kundengruppen. Zusätzlich können sie ihre Kunden individueller ansprechen - die User Experience steigt. Gleichermaßen wollen sie die Prozesse, in die Hella Gutmann integriert ist, im Sinne der Nachhaltigkeit optimieren. Als Beispiel zieht Philipp Fehlerquoten heran, etwa Falschlieferungen, die sie stetig reduzieren. So werden unnötige Fahrtwege vermieden und CO² eingespart. Als Ensemble-Betrieb sei ihr eigener CO²-Fußabdruck bereits übersichtlich. Dennoch setzen sie entsprechende Zertifikate bei ihren Zulieferern voraus.

Wir können nicht sagen, es gibt eine Alt-Hella Gutmann, die macht, was wir schon immer gemacht haben und dann setzen wir eine neue Hella Gutmann auf, die das neumodische Zeug macht - mit allen Tools und Services und Kompetenzen - und die beiden kennen sich gar nicht. Das funktioniert so nicht.

Um eine Software First Company zu werden, müssen Rolf und Philipp das Beste aus allen Welten herauspicken und miteinander “verheiraten”. Dabei gibt er zu bedenken, dass Altes nicht automatisch schlecht ist; Neues nicht automatisch gut. Letztlich genügt es nicht, neue Buzzwords nur aufzugreifen. Viel bedeutender ist es, diese auch zu übersetzen. Zunächst für sich; zuletzt für den Kunden. So mussten sie für sich selbst begreifen, wie die Zukunft des Autos rund ums autonome Fahren konkret aussieht und was einzelne Level des autonomen Fahrens für Werkstätten bedeuten.

Hierin sieht er gleichzeitig eine Stärke der Hella Gutmann, jedoch auch des ganzen Mittelstands: Die bestehenden Mitarbeiter:innen tragen einen riesigen Erfahrungsschatz mit sich. Sie sind es gewohnt, zu hinterfragen, neue Ziele zu setzen und kundenorientiert zu denken. Und zwar mit sehr viel Energie und sehr viel Passion. New Hires ergänzen dies mit neuen Kompetenzen, neuen Sprachen, neuen Toolsets und zukünftigen Technologien eines neuen Ökosystems. Für Rolf steht fest, dass sie als Hella Gutmann nur erfolgreich sein können, wenn sie den Weg gemeinsam bestreiten - mit allen Menschen. Rolf schließt sich hierbei keineswegs aus. Auch für ihn war es eine Umstellung, mit OKRs zu arbeiten. 

Ein Mittelständer mit der richtigen Führungsstruktur, mit der richtigen Strategie, mit dem richtigen Mindset kann eine sehr, sehr attraktive Lösung sein und ein Zielhafen sein, wenn man etwas bewegen möchte.

Es reicht nicht aus, die Hella Gutmann nur formell zu transformieren. Vielmehr zählt es, die Vision, die der Transformation zugrunde liegt, gemeinsam mit allen Beteiligten zu leben - von den Mitarbeiter:innen über die Tools hin zu den Kunden. Sowohl Rolf als auch Philipp sehen sich als Führungskräfte in der Verantwortung, diese Unternehmenskultur zu erschaffen. Philipp differenziert hierbei zwischen zwei verschiedenen Stoßrichtungen.

Die erste betrifft die Hardwareentwicklung. Diese wird weiterhin spezifikations-getrieben und in traditionellen Zyklen von 2, 3 oder 4 Jahren entwickelt. Die zweite Herangehensweise betrifft eine neue, digitale Organisation, die mit kürzeren iterativen Entwicklungszyklen arbeitet und dezentral vernetzt ist. Hier besteht die Aufgabe der Führungskräfte darin, diese Organisation vom Tagesgeschäfts abzukapseln und ihr lediglich Anreize und eine Guidance anzubieten, Stichwort: Conservant Leadership. Dadurch können die Mitarbeiter:innen so kreativ arbeiten, dass gleichermaßen ein Raum für Innovationen instituiert wird. Dennoch bleibt die praktische Nähe bestehen.

So können New Hires an einem bestehenden, reellen Issue arbeiten und von dem praktischen Erfahrungsschatz der langjährigen Mitarbeiter:innen profitieren. Die Ergebnisse können sie anschließend im Feld ausprobieren und mit den Kunden an weiteren Optimierungen arbeiten. Das zeigt: Im Silicon Valley wird theoretisch gearbeitet; im Mittelstand praktisch und vor allem mit den Kunden; mit den Werkstätten. Für Rolf hat dies einen unglaublichen Reiz. Das ist auch das Wertversprechen, mit der New Hires bei Hella Gutmann Solutions glücklich werden. Denn grundsätzlich gelte, und da sind sich Philipp und Rolf einig: Macht das, was Euch glücklich macht.

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